"Ich bin noch feucht hinter den Ohren"
Schauspieler und Jury-Mitglied Gael García Bernal beim Talent Campus
Von Josef Engels

"Verfolgt eure Ziele rigoros", rät Gael Garcia Bernal
Er ist 28 Jahre jung und hat gerade zum ersten Mal Regie bei einem Film geführt. Der kleine Mexikaner könnte eigentlich als der typische Teilnehmer des Berlinale Talent Campus durchgehen. Er würde in dem mehrsprachigen Gewimmel der Nachwuchsfilmemacher, die noch bis morgen in Berlin weilen, kaum auffallen. Aber er befindet sich an diesem Morgen nicht im voll besetzten Auditorium des Hebbel-Theaters unter all den anderen, sondern mitten auf dem Podium. Dort prostet er dem Publikum mit einem Kaffeebecher ein fröhliches "good evening!" zu - und das um 11 Uhr. "Oh, Entschuldigung, ich sehe gerade drei Filme am Tag, da kommt man schon mal durcheinander", grinst der Bursche.
Verständlich, schließlich ist er zurzeit Mitglied der internationalen Jury der Berlinale. Er hat auch schon in mehreren Filmen mitgespielt, die für den Oscar nominiert waren. Große Regisseure, darunter Pedro Almodóvar oder Alejandro González Inárritu ("Babel") lieben ihn. Mithin also ist er ein Star. Aber Gael García Bernal führt sich wie keiner auf.
Er ist wahrlich der perfekte Talk-Gast für den Talent Campus. Weil er unter anderem beweist, dass Erfolg im Filmgeschäft nicht zwangsläufig zu charakterlichen Deformationen führen muss. Und weil er zum diesjährigen Campus-Schwerpunkt "Home Affairs", der sich mit nationalen Identitätsfragen in einer globalisierten Welt auseinandersetzt, interessante Dinge aus Mexiko zu berichten weiß.
Bei "Amores Perros" etwa, seinem Durchbruchsfilm aus dem Jahr 2000, seien die Hunde besser bezahlt worden als die Menschen, witzelt Bernal. Aber: "Alles, was man in einem armen Land macht, hat politische Bedeutung." Gerade in der Kunst. "Amores Perros" habe zu einem Aufschwung des Kinos in Mexiko geführt. Wo es früher einmal nur fünf einheimische Produktionen pro Jahr gegeben und ansonsten "Matrix" die Leinwände verstopft habe, gebe es jetzt immerhin 50 neue Filme. Englisch sei gewiss wichtig als universelles Verständigungsmittel, gibt Bernal mit seinem schönen, leicht spanischen Akzent zu verstehen. Dennoch fände er es komisch, wenn er Angebote für Filme in spanischsprachigen Ländern bekomme, in denen er Englisch reden solle. "Warum? Das Publikum ist doch erwachsen. Man kann ihnen Spanisch zumuten."
Nicht ganz so erheblich scheinen indes die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern zu sein, in denen Bernal schon gedreht hat. Zu Frankreich, wo der Schauspieler unter Michel Gondry am vorjährigen Berlinale-Beitrag "Science of Sleep" arbeitete, fällt ihm nur ein: "Das Essen ist anders. Und man bekommt schon mittags Bier und Wein". In Spanien hingegen hätten die Dreharbeiten mit Almodóvar immer erst um 10 Uhr angefangen. "In Mexiko geht's schon um 6 los". Was seine wahre Heimat sei, das will der in Europa, Nord- und Südamerika beschäftigte Mexikaner indes nicht verraten. "Das ist zu intim. Heimat ist für mich nämlich nicht ein Ort, sondern eine Person." Den Gerüchten um eine Wiedervereinigung mit der Kollegin Natalie Portman scheint dieses Statement neue Nahrung zu geben.
Sehr lieb sind dann jedenfalls die an die Talente gerichteten Schlussworte Bernals, dessen erste eigene Regiearbeit sich gerade in der Postproduktion befindet: "Seid diszipliniert und verfolgt eure Ziele rigoros! Ich habe vor gerade mal sechs Jahren die Schauspielschule verlassen und hätte nie gedacht, jetzt an dieser Stelle zu sitzen. Ich bin eigentlich noch ganz feucht hinter den Ohren."
(Berliner Morgenpost 14.02.2007)