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Verfasst: 28.12.2004, 10:41
von Hummel
Yo-Ghurt, du hast mein Gedicht messerscharf analysiert. :smile: Hast dabei aber vergessen, dass dieses Gedicht rund 10 Monate alt ist. :wink: Ich dichte nicht mehr so und strebe es auch nicht mehr an, da es in der Tat ziemlich klischeebeladen ist. Ich finde natürlich auch, dass Innovation die Mutter der Motivation ist. Deswegen versuche ich meine Gedichte sehr bilderstark zu schreiben. Wenn du möchtest, kann ich dir ein neueres Werk schicken, welches mir (ohne anzugeben) um einiges besser erscheint als dieses hier.

Also vielen Dank für deine Kritik

Hummel

PS: geronnene/kühne Metaphern? Nein, habe ich tatsächlich nie gehört. Könntest du mir das einmal erläutern?

Verfasst: 28.12.2004, 12:57
von Yo-Ghurt
Na das freut mich aber, dass wir uns hier im Grunde einig sind. (Sowas passiert mir nicht gerade oft hier im Forum.)

Was die Weiterentwicklung Deines Stiles betrifft, da freue ich micht natürlich sehr auf eine Kostprobe!

Zu den Metaphern:

Grundlegend ist die Metapher ja eine sprachliche Ersetzungsfigur. Ein Wort (meistens ein abstraktes z.B. "Leidenschaft") wird durch ein anderes (meistens ein sinnlich-konkretes, bildhaftes, z.B. "Feuer", "Sturm" etc.) ersetzt. Oft ergibt sich die Möglichkeit einer Ersetzung durch eine Bedeutungsähnlichkeit zwischen ersetztem und ersetztendem Ausdruck. (In unseren Beispielen vielleicht "verzehrende, manchmal zerstörerische Heftigkeit".)

Auf dieser Grundlage kann man dann verschiedene Formen der Metapher unterscheiden, z.B.:
  1. Notwendige Metapher

    Manche Sachverhalte können in einer bestimmten Sprache nur bildhaft ausgedrückt werden. Beispiele sind "Stuhlbein", "Flussarm", "Brückenkopf", "Flammenzunge", "Motorhaube" etc. Hier ersetzt also der sinnliche Ausdruck keinen abstrakten, es steht schlicht kein anderes Wort zur Verfügung.
  2. Konventionalisierte, "Tote", "Geronnene" Metaphern (die beiden letzten Ausdrücke sind freilich selbst wieder metaphorisch)

    Solche Metaphern zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Verwendung in der Regel ohne das Bewusstsein der Bildhaftigkeit / Ersetzung erfolgt. Sie sind so sehr in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen, dass man sie wie normale, nicht-metaphorische Ausdrücke verwendet: "schreiende Farben", "faule Ausrede", "gebrochenes Herz" "dunkle Bedrohung" :wink: etc. Solche Metaphern gehören zu den sprachlichen Klischees, die wir beide nicht so mögen.
  3. Kühne Metaphern

    Sind bildhafte Ausdrücke, die von Alltagssprache und Alltagsdenken abweichen und daher überraschend und innovativ wirken. Als Beispiel fällt mir hier spontan der Ausdruck "brennende Geduld" ein (aus einem Romatitel von Antonio Scarmetta, verfilmt als "Der Postmann").
  4. Absolute Metaphern

    Es gibt einige bildliche Ausdrücke, bei denen es schwerfällt zu sagen, was sie eigentlich ausdrücken wollen, "wofür" das Bild "steht". Die Bildseite der Metapher verselbständigt sich, nur noch der ersetzende, nicht mehr der ersetzte Teil lässt sich eindeutig benennen. Das meistgenannte Beispiel ist Celans "Schwarze Milch der Frühe" aus der "Todesfuge". Was genau meint Celan bloß damit?
Ästhetisch halte ich nur die letzten beiden Formen für hochwertig. Gerade durch die Distanzierung von der Alltagssprache können uns solche Ausdrücke neue Erkenntnisse verschaffen, ermöglichen uns neue Erfahrungen und Einblicke. Es liegt ja völlig auf der Hand, warum man von "brennender Leidenschaft" spricht, aber der Ausdruck "brennende Geduld" eröffnet eine völlig neue Perspektive. Während man im ersten Fall genauso gut von "heftiger" oder "destruktiver" Leidenschaft sprechen könnte, ohne dass man inhaltlich etwas anderes sagen würde, muss man schon ein wenig knobeln, bis man darauf kommt, was denn nun gerade Geduld mit einem Brand zu tun haben könnte.

Darüberhinaus ermöglichen nur kühne oder absolute Metaphern (letztere sind auch immer gleichzeitig "kühn") einen wirklich originellen sprachlichen Ausdruck persönlicher Erfahrung, da man mit den geronnenen Metaphern ja immer auch die sich in allen unzähligen früheren Verwendungen angesammelten Erfahrungen mitschleppt.

Kunst wird meiner Meinung nach erst durch ihre Alltagsferne durch ihre "Künstlichkeit" künstlerisch. Es gibt da aber auch ganz andere Auffassungen, z.B. die, die Kunst solle das "Leben" möglichst realistisch nachbilden. Davon halte ich persönlich aber nicht sehr viel.

Verfasst: 28.12.2004, 15:36
von Hummel
Das nenne ich mal ein nahrreiches Mahl. Ich wusste bisher nie Metaphern zu unterscheiden. Höchstens in "Klischee" Metaphern und "innovative" Metaphern. Das ist aber eine reichlich dämliche Einteilung. So scheint mir dann auch logisch, dass du von kühnen und absoluten Metaphern viel hältst. Es liegt ja auf der Hand, da nur diese der Innovation fröhnen. Wo hast du die Informationen her? Ich bin wissensdurstig und würde gerne mehr über die subtile Gestaltung von sprachlichen Bildern wissen. Es reicht mir nicht, wenn ich sie kenne und teilweise anwende und erkenne. Ich versuche immer alles zu hinterfragen. Könntest du mir weiterhelfen? Ich versuche einmal deine Metaphernuntergliederung bei einem meiner Gedichte anzuwenden, um zu erfahren, ob ich es auch verstanden habe. :wink:

Verklappende Momente

Die Zeit tropft, tropft, tropft, tropft
Auf meine schöne zarte Haut
Da verbrennt sie, da verbraucht sie Elixier
Schwach schon, schlaff schon, schlaf schön.


Zeit verbrennt - kühne Metapher
(Zeit) verbraucht Elixier - kühne Metapher

Tief sind die Schluchten, Feuer, Feuer, Brand.
Und die Zeit spinnt im Zirkel
Dreht sich schneller, auf, davon, hinweg
Wart’, ich hab noch gar nicht geendet.


Zeit spinnt im Zirkel - geronnene Metapher
(Zeit) dreht sich schneller, auf ... - geronnene Metapher

Sag, mein Jahr fällt ach so tief.
Es scheint schon zur Sucht zerflossen.
Hörst du den Schrei, hörst du meine Zeit?
Die Falten sprießen ungezügelt.


Jahr fällt ... tief - kühne Metapher
Falten sprießen ungezügelt - kühne Metapher

So weile ich, so flüstre ich
Langsam, träge sind die Schritte
Ich muss nicht mehr, ich bleibe trotzig
Verklappende Momente, hauchen mir Krankheiten ein.


Verklappende Momente, hauchen Krankheiten ein - Notwendige Metapher, da ich nicht wüsste, wie ich es in Umgangssprache "umschreiben" könnte

Habe ich das jetzt richtig analysiert? Ich hoffe es. :smile:

Schade, dass ich jetzt keine absolute Metapher entschlüsseln konnte. Mit deiner Anleitung werde ich aber versuchen, sie in späteren Gedichten von mir einzubauen.

Verehrte Grüße und einen guten Rutsch in neue Jahr wünscht

Hummel

Verfasst: 02.01.2005, 14:25
von Yo-Ghurt
Erst mal allen ein gutes Neues!

Ich bin eben erst nach Hamburg zurückgekommen, hatte also noch keine Zeit, mir das Gedicht genauer anzusehen und die Metaphern selbst zu analysieren.
Werde das nachholen.

Spontan finde ich die sprachliche Verbesserung aber unübersehbar. Besonders der letzte Vers der ersten Strophe gefällt mir gut.