Verfasst: 18.05.2002, 11:50
Nachdem etwas Gras über die Sache gewachsen ist, melde ich mich jetzt auch zu diesem Thema. Ich gehöre auch zu denjenigen, die Action-Games spielen. Aus diesem Grund lese ich die PC Action. Diese monatlich erscheinende Zeitschrift berichtet in der aktuellen Ausgabe verständlicherweise auch zum Thema "Erfurt und die Folgen". Aber das ganze auf einer sehr objektiven und aufklärenden Weise, was bei den meisten anderen Newsquellen nicht der Fall war. Christian Bigge, PC-Action-Redakteur, legt dazu seine private Meinung dar. Weil mir diese aus dem "Herzen spricht", zitiere ich sie hier.
Klar, wir sind alle Mörder!
Walter S. drang kurz nach neun Uhr in das Schulgelände der Volksschule in Köln-Volkshofen ein. Mit einem selbstgebastelten Flammenwerfer und einer Lanze griff er Schülerinnen und Lehrer an. Das Ergebnis des Amoklaufs: acht Tote. Dieses Massaker erschütterte am 11. Juni 1964 die Republik. Walter S. war psychisch krank, stellte man später fest, seine Tat ein Racheakt. Hätte Walter S. seine Morde vor dem Hintergrund der heutigen Medienlandschaft verübt, wäre wohl der übermäßige Konsum von Beatles-Musik festgestellt worden. Denn die ist gewaltfördernd, so dachte man damals. Der schrecklichen Tat des Erfurter Schülers Robert Steinhäuser drückte man unverzüglich - und schlecht recherchiert - die ambivalenten Zeichen der Popkultur auf. Computerspiele zeigen Gewalt, also führen sie auch dazu, dienen als "Handlungscode". Was für eine glänzende Steilvorlage zur Hetzjagt, auf der man genüsslich herumreiten kann. Mittendrin statt nur dabei: die Politiker. Klar, ist ja auch Wahlkampf. Fakt bleibt aber: Bislang konnte durch keine wissenschaftliche Studie belegt werden, dass Spiele substanziell zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führen. Doch konsequente Ursachenforschung ist nach Erfurt zunächst nicht angesagt. Dabei wirft die Tat etliche Fragen auf. Wie kann es sein, dass ein 19-Jähriger zu Hause legal eine Pumpgun, Pistolen und mehrere hundert Schuss scharfer Munition hortet? Warum hat niemand vorher Anzeichen für die Wahnsinnstat entdeckt, obwohl diese angeblich lange vorgeplant wurde? Leicht zu beantwortende Fragen? Nein! Also fällt man zurück auf die greifbarste aller Erklärungen: Die Spiele sind Schuld, alle Actionspieler demnach potenzielle Mörder oder Psychopathen. Ich spiele gerne Actionspiele, bin friedfertig und nicht verhaltensauffällig, was nun? Wo ist meine Schublade? Nein, Vorverurteilungen helfen bei der Bewertung der Tragödie von Erfurt nicht weiter. Nach der Trauerarbeit ist eine sachliche Diskussion und Analyse gefragt. Damit sollte schleunigst begonnen werden.
Christian Bigge, PC Action 6/2002
--
AvE
Klar, wir sind alle Mörder!
Walter S. drang kurz nach neun Uhr in das Schulgelände der Volksschule in Köln-Volkshofen ein. Mit einem selbstgebastelten Flammenwerfer und einer Lanze griff er Schülerinnen und Lehrer an. Das Ergebnis des Amoklaufs: acht Tote. Dieses Massaker erschütterte am 11. Juni 1964 die Republik. Walter S. war psychisch krank, stellte man später fest, seine Tat ein Racheakt. Hätte Walter S. seine Morde vor dem Hintergrund der heutigen Medienlandschaft verübt, wäre wohl der übermäßige Konsum von Beatles-Musik festgestellt worden. Denn die ist gewaltfördernd, so dachte man damals. Der schrecklichen Tat des Erfurter Schülers Robert Steinhäuser drückte man unverzüglich - und schlecht recherchiert - die ambivalenten Zeichen der Popkultur auf. Computerspiele zeigen Gewalt, also führen sie auch dazu, dienen als "Handlungscode". Was für eine glänzende Steilvorlage zur Hetzjagt, auf der man genüsslich herumreiten kann. Mittendrin statt nur dabei: die Politiker. Klar, ist ja auch Wahlkampf. Fakt bleibt aber: Bislang konnte durch keine wissenschaftliche Studie belegt werden, dass Spiele substanziell zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führen. Doch konsequente Ursachenforschung ist nach Erfurt zunächst nicht angesagt. Dabei wirft die Tat etliche Fragen auf. Wie kann es sein, dass ein 19-Jähriger zu Hause legal eine Pumpgun, Pistolen und mehrere hundert Schuss scharfer Munition hortet? Warum hat niemand vorher Anzeichen für die Wahnsinnstat entdeckt, obwohl diese angeblich lange vorgeplant wurde? Leicht zu beantwortende Fragen? Nein! Also fällt man zurück auf die greifbarste aller Erklärungen: Die Spiele sind Schuld, alle Actionspieler demnach potenzielle Mörder oder Psychopathen. Ich spiele gerne Actionspiele, bin friedfertig und nicht verhaltensauffällig, was nun? Wo ist meine Schublade? Nein, Vorverurteilungen helfen bei der Bewertung der Tragödie von Erfurt nicht weiter. Nach der Trauerarbeit ist eine sachliche Diskussion und Analyse gefragt. Damit sollte schleunigst begonnen werden.
Christian Bigge, PC Action 6/2002
--
AvE